Stimmen zur Talent Tour Hamburg 2017

Stimmen zur Talent Tour Frankfurt I 2017

Um in der Karriere voran zu kommen, genügt es nicht allein, fachlich zu glänzen. Mit zunehmender Seniorität wird gerade Management-Wissen bedeutsam. Spätestens wenn Sie Partner werden, wechseln Sie die Seite vom Arbeitnehmer zum Unternehmer. Mit unserer Rubrik Associate Management- Wissen wollen wir Ihnen Anregungen geben, eingefahrene Wege kritisch zu hinterfragen, und Ihnen aktuelles Management- Wissen näher bringen. Angelehnt an das Heftthema geht es heute um „Work-Life“ Balance als Managementaufgabe.

Associates sind Wissensarbeiter. Anwälte waren dies seit jeher. Was sich aber grundlegend geändert hat – zumindest was die Wirtschaftskanzleien betrifft- ist die Arbeitsorganisation der Anwaltschaft als Unternehmen. Diese Veränderung der Organisationsstruktur anwaltlicher Arbeit ist in Deutschland eine immer noch relativ junge Erscheinung. Erst mit der Aufhebung des Verbotes überörtlicher Anwaltszusammenschlüsse 1989 haben sich größere Einheiten in Deutschland etabliert - eine Entwicklung, die in den USA eine über 100-jährige Geschichte hat.

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Organisiert man eine Anwaltskanzlei als größeres Unternehmen, kommt man an einer modernen ressourcenorientierten Unternehmensführungsstrategie nicht vorbei. Eine ausschließlich am Markt und der Nachfrage orientierte Strategie wird kaum funktionieren. Der Markt kann noch so gut sein, zum Beispiel die Nachfrage nach Abwicklung von Unternehmenskäufen, aber eine Kanzlei, die keine marktorientierte fachlich versierte Personalressource hat oder finden kann, wird in diesem Markt keinen Fuß fassen. Auf der anderen Seite kann die reine ressourcenorientierte Betrachtung des Wissensarbeiters schnell zu Spannungen führen, insbesondere dann etwa, wenn der „Human Resource“, das „Human“, die individuellen Bedürfnisse des Menschen und seine soziale Einbindung, verloren geht.

Bereits 1930 sprach man in New York abwertend von „Law Factories“, die man mit der Industrie verglich. Dort seien die Anwälte platt gesagt der Maschinenpark einer Law Firm, regelmäßig die besten Turbinen, die es am Markt für gutes Geld zu kaufen gäbe. Sind sie durch die Akquise und erfolgreiche Strategie der Partner gut beschäftigt, inklusive Nacht- und Wochenendauslastung, erarbeiten sie für das Unternehmen gehörige Überschüsse. Eine Investition, die sich lohnt, zumal diese durch Monatsraten finanziert werden kann.

Im Jahre 2013 in Deutschland sind jedoch Associates keine Maschinen, sondern Menschen mit eigenen Vorstellungen, Wünschen und Zielen, eingebettet in ein privates soziales Umfeld. Und sie entscheiden selbst, wem sie ihre Arbeitszeit zu welchen Bedingungen verkaufen. Modernes Kanzleimanagement hat daher auch die Aufgabe, Erwartungen und Ziele der Mitarbeiter mit den Zielen des Unternehmens Kanzlei in Einklang zu bringen. Dabei ist es für eine Sozietät von entscheidender Bedeutung, die „richtigen“ Mitarbeiter zu finden und zu binden.

Und Work-Life Balance spielt hierbei tatsächlich eine wichtige Rolle und ist mitnichten eine „Modeerscheinung“ oder gar Ansatz für eine Verweichlichungsdebatte.

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Work-Life Balance Management ist Konfliktmanagement
Versteht man unter Work-Life Balance mit den Worten der Wirtschaftswissenschaftlerin Ruth Stock-Homburg „einen Zustand der Ausgewogenheit zwischen Beruf und Privatleben, der eine Zufriedenheit mit der eigenen Rollenerfüllung in verschiedenen Lebensbereichen und eine Vermeidung dauerhafter Überlastungen ermöglicht“, wird schnell klar, wo die Konflikte lauern. Jeder Mensch lebt sein Leben in unterschiedlichen Beziehungen und Rollen. Jeder Mensch hat aber nur begrenzte Zeit. So sind es regelmäßig die Konflikte, über die sich das Thema Work - Life Balance definiert. Die Rolle „Eltern“, gelebt beim Jugendfußballturnier am Wochenende, kollidiert mit der Rollenerwartung des Mandanten und des Vorgesetzen an eine jederzeitige Einsatzbereitschaft und Erreichbarkeit. Umgekehrt können private Belastungen, zum Beispiel ein Hausbau oder die Krankheit eines nahen Angehörigen, Konflikte aus dem Privaten in die Arbeit tragen und die Ausgewogenheit, die Balance zerstören. Man spricht dann, je nachdem aus welcher Rollensphäre die hohe Belastung oder Einbindung stammt, von „Life to Work“ oder eben von „Work to Life“ Konflikten. Dabei steht regelmäßig beim Thema „Life“ die Familie im Vordergrund. Das muss gerade bei Berufseinsteigern aber nicht unbedingt der Fall sein.

Zitat7Hier zählen häufig der Freundeskreis, aber auch zum Beispiel der Sport oder andere Hobbies zum Konfliktpaar. Ungelöste Konflikte in beide Richtungen führen unweigerlich zu echtem negativen Stress.

Der Beitrag des Kanzlei-Managements zur Erreichung einer Ausgewogenheit im Spannungsfeld Work und Life, respektive zum Rollenkonfliktmanagement sollte sich im Retention Management Konzept einer Kanzlei finden. Denn dem Unternehmen Kanzlei ist daran gelegen, kompetente Mitarbeiter – vom Empfangssekretariat bis hin zum Equitypartner – zur Leistung zu motivieren und im Unternehmen zu halten. Wissen, Mandate und Beziehungen aber auch Reputation verlassen mit unzufriedenen Mitarbeitern und Partnern unwiederbringlich die Organisation.

Bild2Doch nicht nur die Verlustgefahr kann Triebfeder für eine stärkere Berücksichtigung des Retention Managements im Kanzleialltag sein. Es kann auch profitabler machen.

Wissensarbeit produktiver zu machen, ist die große Aufgabe dieses Jahrhunderts, so der Wirtschaftswissenschaftler und Vordenker der modernen Managementlehre Peter F. Drucker. Motivierte Mitarbeiter, die ihrem Unternehmen ein großes Commitment entgegen bringen, sind per se produktiver als gestresste Burn-out Kandidaten.

Ein Retention Management Konzept entwirft zunächst ein an der Organisation und den Mitarbeitern ausgerichtetes Instrumentarium aus kalkulatorisch, normativ und affektiv wirkenden Maßnahmen, um das Commit- ment zu erhöhen. Angelehnt an Rolf van Dick, Professor für Sozialpsychologie und Direktor des Center for Leadership and Behavior in Organizations (CLBO) an der Goethe-Universität Frankfurt, unterscheiden sich die Arten des Commitment folgendermaßen:

Affektiv: Emotionale Verbindung zu einer Organisation.

Die Organisation hat eine große persönliche Bedeutung für den Mitarbeiter und der Mitarbeiter will ihr daher auch zukünftig gern angehören.

Normativ: Akzeptanz der Organisationswerte und Verpflichtung aus ethischen und moralischen Gründen.

Der Mitarbeiter ist an die Organisation gebunden aufgrund des Vorverhaltens und der Leistungen der Organisation für den Mitarbeiter, sowie aufgrund gelebter Werte wie beispielsweise die Verpflichtung Kollegen gegenüber.

Kalkulatorisches Commitment:
Vermeidung von Wechselkosten bei Verlassen der Organisation.

Wenn ein Arbeitgeber allein darauf vertraut, dass seine Mitarbeiter nur unter erheblichen persönlichen Verlusten wechseln können und nur daher bleiben, zahlt er seinen Preis, denn dieses Commitment ist letztlich ein Pyrrhussieg. Er bindet damit zwar seine Mitarbeiter, aber Studien beweisen, dass diese rein rational berechnende Mitarbeitertreue Leistung und Engagement negativ beeinflussen kann.

Retention Management erzeugt Commitment Im besten Falle erzeugt konsequentes Retention Management alle drei Commitmentformen. Dann wollen die Mitarbeiter gefühlsmäßig zum Unternehmen gehören, sie sind auf der Verstandesseite auch subjektiv überzeugt, dass das richtig ist, und sie sind der Meinung, dass sie das objektiv auch müssen.

Insbesondere im personenbezogenen Anwaltsunternehmen ist Bindungsmanagement in erster Linie Führungsaufgabe der Partner im Alltag.

Gerade wenn es um Work-Life Konflikte geht, spielt die vorgelebte Kultur eine große Rolle. Hier werden die Werte kommuniziert, an die sich die Mitarbeiter binden sollen. Hier sind aber auch der Instinkt und eine offene Kommunikationskultur verlangt, um individuelle Lösungen zu erarbeiten.

Zitat8Wissenschaftliche Untersuchungen wie insbesondere die Arbeit „Die Wirkung von Work-Life Balance Initiativen auf das Mitarbeitercommitment: Eine empirische Untersuchung in der Unterneh- mensberatungsbranche“, veröffentlicht in der Zeitschrift für Personalforschung ZfP 2010, S. 231ff deuten in die Richtung, dass aber auch institutionalisierte strategische Work-Life Balance Initiativen durchaus wirkungsvoll sind.

Die Studie unterscheidet hier zwischen zeitbezogenen, Informations- und finanziellen Strategien sowie direkte Services. Alle haben einen positiven Effekt auf die Bindung der Mitarbeiter, sogar das bloße Angebot ist hier schon Commitment erhöhend.

Ein etwas überraschendes Ergebnis ist, dass es nicht die großen Programme zur Elternzeit sind, die am häufigsten genutzt werden, sondern Freitzeitausgleich, Weiterbildungsangebote und Gesundheits- förderung. Aber auch die Wichtigkeit des Verhaltens der Vorgesetzten konnte bestätigt werden. Stehen diese hinter den Programmen, werden sie auch genutzt.

„Es besteht ein direkter positiver Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Unterstützung durch den Vorgesetzten und der Nutzung von Work-Life Balance Initiativen“, so die Studie. Dabei gehört die Umsetzung des Retention Managements zu den Aufgaben jeder Hierarchieebene.

Nicht nur als Führungskraft, sondern auch als Teamkollege oder bei Gesprächen mit Stelleninteressenten auf Messen und Bewerbertagen trägt jeder unmittelbar zur Bindungs- und Attraktionswirkung bei – oder im schlechteren Fall zum Gegenteil.

Erfolgreiches Retention Management führt zu hohem institutionellem Commitment. Die Identifikation mit dem Unternehmen steigt, Mitarbeiter, Associates oder auch Partner setzen sich stärker ein und verlassen das Unternehmen nicht.

Fazit
Work–Life Balance ist auf Seiten der Arbeitnehmer zum einen eine Werteentscheidung darüber, welchen Rollen sie in ihrem Leben ein stärkeres Gewicht geben wollen. Dabei verändern sich die Anforderungen im Laufe eines Lebens.

Auf Seiten des Managements ist die Frage, wie sich das Bedürfnis der Mitarbeiter, einen Ausgleich zwischen der beruflichen Rolle und weiteren privaten Rollen zu schaffen, eine Themenstellung der Personalstrategie.

Programme wie Kinderbetreuung oder Teilzeit sind nur ein Baustein. Wesentlich ist es aber auch in der täglichen Führung und im kollegialen Miteinander, diese Spannungsfelder individuell zu lösen.

von Peter Neuberger,
Partner hemmerconsulting