Stimmen zur Talent Tour Hamburg 2017

Stimmen zur Talent Tour Frankfurt I 2017

Viele Rechtsanwälte haben Zeitprobleme. Sie arbeiten länger als sie wollen. Sie brauchen für bestimmte Tätigkeiten mehr Zeit als objektiv erforderlich wäre. Sie fühlen sich bei der Arbeit gestresst, gehetzt oder unzufrieden. Woran liegt das? Das kommt drauf an. Manche Rechtsanwälte haben einfach keinen Plan. Andere sind schlecht organisiert oder verzetteln sich in nebensächlichen Details. Es gibt jedoch einen Punkt, unter dem fast alle leiden: ständige Unterbrechungen. Ob gedankliches Abschweifen oder äußere Störungen wie Telefonanrufe, eingehende E-Mails oder Kollegenbesuche – in den meisten Kanzleien ist es üblich, dafür die aktuelle Aufgabe zu unterbrechen. Und zwar nicht nur ein oder zweimal am Tag, sondern dutzendfach. „Aber das sind doch jeweils nur ein paar Minuten... das ist gut für das Betriebsklima... das ist Mandantenservice...“ - kann sein. Aber diese vielen kleinen Störungen haben Konsequenzen. Jede Unterbrechung kostet Zeit. Und jede Unterbrechung senkt die Konzentrationsfähigkeit.

Schwachstelle Arbeitsgedächtnis
Das Arbeitsgedächtnis kann maximal 7 ± 2 Informationen gleichzeitig aufnehmen. Das ist nicht viel. Wenn man intensiv an einem Schriftsatz arbeitet und durch einen Anruf unterbrochen wird, ist der Arbeitsspeicher meistens schon nach einer Minute komplett mit neuen Daten gefüllt. Will man dann weiter arbeiten, muss man sich die alten Informationen wieder aus dem Langzeitgedächtnis oder der Umwelt zusammen suchen. Das kostet Zeit. Hinzu kommt, dass es nach jeder Unterbrechung schwieriger ist, sich wieder auf die aktuelle Aufgabe zu konzentrieren. Denn unser Gehirn entstand in einer Zeit, in der es nur relativ wenig neue Reize gab. Damals war es für das Überleben sehr nützlich, dass jeder neue Reiz sofort ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückte (Stichwort Säbelzahntiger). Da sich unser Gehirn seit damals kaum verändert hat, können auch wir neue Reize nur schwer ignorieren.

Das hat für moderne Büromenschen jedoch fatale Auswirkungen. Denn durch jeden interessanten neuen Reiz wird Noradrenalin freigesetzt. Der Blutdruck steigt, der Puls schlägt schneller, die Wahrnehmung und das Denken beschleunigen sich. Je gefährlicher der neue Reiz, desto stärker der Effekt. Kämpfen oder Fliehen! In einer Anwaltskanzlei sind die meisten neuen Reize jedoch harmlos - es wird nur wenig Noradrenalin freigesetzt. Allerdings breitet sich dadurch eine wohlige Anregung aus, ein leichtes Kribbeln. Jedes Klingeln des Telefons wirkt leicht elektrisierend. Das allgemeine Erregungsniveau steigt. Man will wissen, wie es weitergeht. Durch die vielen neuen Reize wird man so ständig stimuliert. Dadurch fühlt man sich lebendig. Das ist auch der Grund, warum man sich so gerne und bereitwillig unterbrechen lässt. Der Nachteil dabei ist, dass infolge der Erregung ab einem gewissen Niveau die höheren Funktionen der Aufmerksamkeit im Gehirn gehemmt werden. Dann kann man Störungen nicht mehr ausblenden und nur noch schlecht zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheiden. Das Bewusstsein springt wahllos zu jedem neuen Reiz hin. Dadurch steigt die Erregung weiter was letztlich zu einem Teufelskreis führt. Die Folge: Man verliert die Fähigkeit, seinen selbst gewählten Vorhaben zu folgen. Man bleibt nicht konsequent bei der Sache, sondern lässt sich ablenken und beschäftigt sich mit anderen Dingen. Am Abend stellt man dann fest, dass man zwar den ganzen Tag an vielen verschiedenen Aufgaben gearbeitet, aber keine fertig gemacht hat. Man war mit vielen kleinen Dingen beschäftigt, aber was hat man eigentlich erreicht?

Strategien
Was kann man dagegen tun? Die Unterbrechungen reduzieren? Das traut sich kaum ein Associate: Die Bürotür schließen, das Telefon abschalten und nur noch zweimal täglich E-Mails lesen. Viele hoffen auf später. „Wenn ich erst einmal Partner bin….“ Doch diese Hoffnung trügt. Mit der Zeit erledigt man zwar bestimmte Aufgaben schneller und routinierter – aber es kommen auch ständig neue und mehr Aufgaben hinzu. Wer als Associate gehetzt und gestresst ist, bleibt das in der Regel auch als Partner.

Die beste Möglichkeit in diesem Fall ist, das Problem an der Wurzel anzugehen: Steigern Sie Ihre Konzentrationsfähigkeit. Dann führt die unterbrechungsbedingte Erregung nicht mehr so schnell dazu, dass die höheren Funktionen der Aufmerksamkeit gehemmt werden. Sie sind besser in der Lage, bei der aktuellen Aufgabe zu bleiben. Sie können gedanklich schneller zwischen verschiedenen Aufgaben wechseln (während Sie diktieren ruft ein Mandant wegen einer völlig anderen Sache an). Und Sie können nach einer Unterbrechung schneller an der ursprünglichen Aufgabe weiterarbeiten (nach Beendigung des Gesprächs diktieren Sie nahtlos weiter). Um die Konzentrationsfähigkeit zu steigern, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.

1. Kein Multitasking!
Wir können unsere bewusste Aufmerksamkeit immer nur auf einen Punkt gleichzeitig richten. Multitasking funktioniert nur dann, wenn man eine der Tätigkeiten praktisch unbewusst ausüben kann. Sobald mehrere Tätigkeiten unsere gesamte Aufmerksamkeit beanspruchen, pendelt die Aufmerksamkeit ständig hin und her. Das ist anstrengend und führt zu mehr Fehlern. Auf Dauer kostet solches Pseudo-Multitasking deshalb wesentlich mehr Zeit, als man vermeintlich durch die gleichzeitige Ausführung zweier Tätigkeiten spart. Deshalb: Versuchen Sie nie, zwei anspruchsvolle Dinge gleichzeitig zu machen!

2. Physische Faktoren
Die Konzentration hängt vor allem von der Funktionsfähigkeit des Gehirns ab. Um gut zu funktionieren braucht unser Gehirn vor allem Sauerstoff, Energie und Wasser. Trinken Sie deshalb während der Arbeit genügend Wasser - jeden Tag mindestens 2 Liter. Koffein entzieht dem Körper Wasser. Für jede Tasse Tee oder Kaffee sollten Sie deshalb die gleiche Menge Wasser zusätzlich trinken. Sorgen Sie für genügend Sauerstoff in Ihrem Büro. Machen Sie rechtzeitig Pausen (auch in Besprechungen). Schon fünf Minuten alle zwei Stunden wirken sich auf Ihre Konzentration spürbar aus. Wenn es geht, machen Sie einen kurzen Spaziergang. Sie erhalten eine anregende Sauerstoffdusche, bauen Stress ab und können ungestört über ein aktuelles Mandat nachdenken. Schon nach 10 bis 20 Minuten sind Sie wesentlich konzentrierter. Achten Sie auch auf Ihre Ernährung. Bei gutbürgerlicher Kost benötigt der Körper anschließend ca. 70 % der Energie für die Verdauung. Die Folge ist das bekannte Tief nach der Mittagspause („Suppenkoma“). Je mehr Rohkost Sie essen (insb. Obst), desto schneller sind Sie wieder voll einsatzbereit und können konzentriert weiterarbeiten.

3. Die Harvard-Übung
Man kann seine Konzentrationsfähigkeit auch gezielt trainieren. Die folgende Übung wurde von Wissenschaftlern der Harvard-Universität entwickelt und führt dazu, dass man sich nicht mehr so oft durch abschweifende Gedanken ablenken lässt. Sie besteht aus 3 Schritten: (1.) Schreiben Sie alle Ihre Aufgaben auf. (2.) Unterteilen Sie die Aufgaben in Zwischenschritte. Wichtig: Jeder Abschnitt soll nur solange sein, wie man ohne Mühe bei der Sache bleiben kann (auch wenn das anfangs nur ein paar Minuten sind). (3.) Beginnen Sie dann mit der Aufgabe. Wenn Ihre Gedanken beginnen abzuschweifen und Sie einen Einfall haben, der mit der aktuellen Aufgabe nichts zu tun hat, schreiben Sie ihn auf. Machen Sie dann sofort mit Ihrer Aufgabe weiter. Sobald Sie die aktuelle (Teil-)Aufgabe erledigt haben, kümmern Sie sich um die spontane Idee.

4. Lose Enden sammeln
Jede unerledigte Aufgabe, die man (mental) mit sich herumschleppt, belastet das Arbeitsgedächtnis - auch dann, wenn man nicht permanent daran denkt. Denn immer wieder setzt man sich dann doch in Gedanken damit auseinander. Das kostet Energie und Konzentration, die dann an anderer Stelle fehlt. Durch folgende Übung können Sie Ihr Gehirn grundsätzlich entlasten und dadurch Ihre Konzentrationsfähigkeit steigern: (1.) Schreiben Sie alle unerledigten Projekte, Ideen und Aufgaben auf, die in Ihrem Gehirn herumschwirren. Schreiben Sie wirklich alles auf: Berufliches und Privates, Wichtiges und Unwichtiges. Das kann durchaus eine Stunde und länger dauern. (2.) Gehen Sie dann anschließend Ihre Aufzeichnungen nochmals durch und entscheiden Sie für jeden einzelnen Punkt, was Sie damit tun werden: Sofort erledigen - einen konkreten Zeitpunkt festlegen, an dem Sie sich um die Sache kümmern werden - den Punkt unerledigt streichen. Auf diese Weise entlassen Sie Ihr Gehirn von altem gedanklichen Gerümpel. Es ist durchaus sinnvoll, diese Übung in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Ich mache das einmal im Quartal.

5. Gehirntraining
Die für die Aufmerksamkeit zuständigen Gehirnbereiche kann man – wie einen Muskel – trainieren. Stellen Sie Ihr Gehirn immer wieder vor völlig neue Probleme und fordern Sie es über die bisherige Leistungsgrenze hinaus. Dafür eignen sich zum Beispiel spielerische Bewegungsübungen wie Brainkinetik®. Die Grundübung ist folgende: Nehmen Sie in jede Hand einen kleinen Ball. Halten Sie die Arme parallel vor dem Körper. Werfen Sie die Bälle senkrecht nach oben (Abb. 1). Überkreuzen Sie die Arme, während die Bälle in der Luft sind. Fangen Sie die Bälle dann mit überkreuzten Armen auf (Abb. 2). Achtung: Nur die Arme kreuzen sich, nicht die Bälle! Werfen Sie dann die Bälle mit überkreuzten Armen senkrecht nach oben. Nehmen Sie die Arme wieder parallel, während die Bälle in der Luft sind. Fangen Sie die Bälle mit parallelen Armen wieder auf. Dann geht es wieder von vorne los.

Wenn das klappt, können Sie die Schwierigkeit steigern: Gehen Sie während der Grundübung im Raum herum. Langsam. Schnell. Vorwärts. Rückwärts. Seitwärts. Sagen Sie bei jedem Überkreuzfangen laut eine Reihe aus dem kleinen oder großen Einmaleins auf. Erst vorwärts, dann rückwärts. Wählen Sie ein Thema und sagen Sie bei jedem Überkreuzfangen einen Begriff, der dazu passt. Erst beliebig, dann in alphabetischer Reihenfolge (Aufrechnung - BGB - c.i.c. – Drittschadensliquidation…), dann rückwärts (Zacharias - Yolanda - Xaver …). Sie können auch zu zweit trainieren. Während Sie die Grundübung ausführen, spielt Ihr Partner Ihnen einen Ball zu. Sie stoppen den Ball mit einem Fuß und schießen ihn zurück – ohne die Grundübung zu unterbrechen. Um effektiv Synapsen aufzubauen, genügt es jede Woche einmal 45 Minuten zu trainieren. Nach vier Wochen sollten Sie die ersten Unterschiede bemerken. Und wenn Sie tagsüber viel Stress haben, genügen fünf bis zehn Minuten Brainkinetik und Sie fühlen sich deutlich frischer und erholter.

Alle beschriebenen Strategien können Sie komplett für sich selbst anwenden und trainieren - ohne negative Reaktionen von Ihrem Chef oder den Mandanten befürchten zu müssen Wenn Sie Ihre Konzentrationsfähigkeit steigern, können Sie mit den häufigen Ablenkungen im Kanzleialltag besser umgehen. Sie schweifen gedanklich nicht mehr so oft ab. Sie finden nach einer Unterbrechung schneller wieder in die aktuelle Aufgabe zurück. Und Sie haben weniger Stress. Das spart Zeit und Nerven. Probieren Sie es aus und spüren Sie den Unterschied!

Im Gespräch mit Lacore

lacore videoLACORE ist eine auf Wirtschaftsrecht spezialisierte Kanzlei im Herzen von Berlin und  konzentriert sich auf Transaktionen, Projekte und komplexe wirtschaftsrechtliche Fragestellungen. Dabei agiert LACORE international und fühlt sich aber Berlin besonders verbunden. Adrian Taylor sprach mit Dr. Arnd Barnitzke, Torsten Heinrich und Dr. Ralf Vogt über Kultur, Arbeit und Perspektiven. Auszüge aus dem Interview in HD Video finden Sie unter www.AssociateNET.de oder Sie scannen einfach den QR Code oben rechts mit Ihrem Tablet oder Smartphone und springen direkt zum Video.

Lacore ist eine relativ junge Kanzlei. Wollen Sie wachsen?
Torsten Heinrich: Wir sind eine Kanzlei, die sich am 01.01.2012 gegründet hat, zunächst mit sechs Gründungspartnern, mittlerweile haben wir bereits im März 2012 einen weiteren Partner von einer großen Kanzlei hinzubekommen, sind jetzt acht Partner und acht angestellte Rechtsanwälte. Wir benötigen weitere Unterstützung, denn unser Geschäft läuft gut und wir würden uns gerne personell verstärken.

Wie sehen Sie die Kultur von Lacore gerade als eine neu gegründete Kanzlei?
Dr. Arnd Barnitzke: Ich glaube sie ist gekennzeichnet durch eine hohe Leistungsbereitschaft. Wir arbeiten alle hart aber wir spüren nicht, dass es harte Arbeit ist, weil es uns allen Spaß macht hier und deswegen sind uns neben den formalen üblichen Kriterien und guten Examensnoten etc., auch menschliche Qualifikationen sehr, sehr wichtig. Wir wollen gerne Mitarbeiter beschäftigen und auch künftige Partner aufnehmen, die als Menschen zu uns passen, die diesen common sense, den wir hier haben, mit tragen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Zusammenarbeit dann besser funktioniert und das ist im Sinne des Mandanten, und was im Sinne des Mandanten ist, ist letztlich auch in unserem Sinne.

Was halten Sie von der vielbeschworenen Work-Life Balance?
Dr. Ralf Vogt: Ein gutes Stichwort. Auch wenn wir sagen, dass wir hart arbeiten, sind wir doch relativ junge Familienväter und uns ist die Freizeit sehr, sehr wichtig. Wir wissen, dass es im Leben sehr viel Wichtigeres als die Arbeit gibt. Aber letzten Endes ermöglicht die Arbeit vieles, oft auch ein gutes Familienleben und deswegen muss wirklich eine „Balance“ hergestellt werden. Wir sehen unser Berufsleben nicht als einen Sprint, sondern wir wissen, dass das mindestens ein Langstreckenlauf sein wird und wenn man einen Langstreckenlauf unternimmt, dann darf man sich am Anfang nicht verausgaben, aber man muss sicherlich am Anfang die Voraussetzungen schaffen, dass man es bis zur Ziellinie schafft und nicht als letzter über die Ziellinie geht. Aber wir achten schon auf die Urlaube, und da liegen wir deutlich über dem gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch, denn wir gewähren durchgängig 30 Tage Urlaub. Wir wollen auch, dass der Urlaub genommen wird und wir achten darauf.

Wir schicken Mitarbeiter auch nach Hause, wenn wir das Gefühl haben, dass sie in dem Moment vielleicht nicht mehr an der Spitze ihrer Kreativität tätig sind und wir achten insbesondere bei der Besetzung der Teams darauf, dass wir keine Monobelastung bei einzelnen Personen haben. Das ist uns wichtig. Bei uns wird relativ selten am Wochenende gearbeitet, weil wir das auch ganz klar als eine Zeit der Familie und Erholung sehen und das können auch künftige Bewerber bei uns erwarten und da können sie uns auch in Anspruch nehmen, dass wir zu dem stehen, was wir hier sagen.

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Bleibt da noch Zeit für Weiterbildung?
Dr. Arnd Barnitzke: Wir fördern das. Eine Ausbildung zum Fachanwalt zu einem bestimmten Spezialgebiet ist auf jeden Fall gewünscht, wenn derjenige oder diejenige sich auf einen bestimmten Bereich spezialisieren will. Die dort erworbenen Kenntnisse bringen einen auch weiter im Berufsleben.

Sprechen Sie da aus eigener Erfahrung heraus?
Ja, ich selbst bin Fachanwalt für Steuerrecht, Ralf ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und wir können es nur bestätigen, dass in diesen Bereichen die Fachanwaltsqualifikation und dazu führende Fortbildungen doch einiges gebracht haben.

Ist ausgewogene Kultur der Entwicklung nicht auch eine Frage des Austausches?
Torsten Heinrich: Mir persönlich ist es wichtig, dass man mit den jungen Kollegen die Fälle ausführlich bespricht, dass wir ihnen die Kenntnisse, die wir im Laufe unserer langjährigen Tätigkeit erworben haben, weitergeben. Ich bin der Auffassung, dass es ein unschätzbarer Vorteil ist diese Erfahrung mitgeteilt zu bekommen und manchmal viel viel mehr ist als das was man in Lehrbüchern oder auf Seminaren lernen kann. Ich glaube auch, dass das dann das Hauptrüstzeug ist für junge Anwälte, was sie, wenn sie es dann zur Anwendung bringen, absetzt von Anwälten, die ganz alleine auf sich gestellt sind und sie dann besonders wertvoll für die Mandanten und damit für die Kanzlei machen.

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Wie entwickelt sich ein Anwalt in Richtung Partnerschaft? Wie wird das unterstützt? Wie schafft man diese persönliche Entwicklung?
Dr. Arnd Barnitzke: Ich würde sagen, das ist eine Mischung aus verschiedenen Komponenten. Zum einen das, wovon wir vorhin gesprochen haben, die Qualifikation, das Erlernen bestimmter anwaltlicher Fähigkeiten, vielleicht eine gewisse Spezialisierung in gewissen Fachgebieten, mit denen man sich näher beschäftigt. Aber darüber hinaus ist für uns auch besonders wichtig, dass man den jungen Anwälten und Anwältininnen frühzeitig die Gelegenheit gibt, mit dem Mandanten persönlich in Kontakt zu treten, eigene Mandatsbeziehungen aufzubauen und auch zu halten, was von den Partnern nicht verhindert, sondern im Gegenteil gefördert wird. Es ist uns wichtig, den Angestellten die Gelegenheit zu geben eigenes Geschäft aufzubauen, um später auf dieser Basis auch wachsen zu können, nicht nur mit dem Partner gemeinsam, sondern sich selbst etwas aufzubauen. Ich glaube dort erkennt man dann schon, wer das Potential für einen Partner hat. Partner ist eben nicht nur Qualifikation, sondern es geht darum Akquise zu betreiben, Mandatsbeziehungen über Jahre halten zu können, aufzubauen und nicht zu enttäuschen und darüber eine Basis für zukünftiges Geschäft zu schaffen. Und dann ergibt sich eine Partnerperspektive auch von alleine. Bei uns dreien, die wir alle aus der gleichen Kanzlei kommen, hat sich diese Art des Geschäftsaufbaus als positiv bewahrheitet. Wir sind alle aus eigener Kraft Partner geworden, weil wir irgendwann so stark geworden sind, dass es keine Alternative dazu gab.

Bild5Dr. Ralf Vogt: Das ist das Ergebnis eines langen Prozesses und am Beginn knüpfen wir an der Ausbildung an. Ich glaube das zeichnet uns auch aus. Wir sind eben bereit, junge Kollegen in einem Fall oder in einem Mandat an die Hand zu nehmen, ihnen zu zeigen wie man es erfolgreich bearbeitet. Berufseinsteiger bekommen bei uns sehr frühzeitig unmittelbaren Mandantenkontakt. Das ist sicherlich eine Herausforderung für junge Berufsanfänger, aber je häufiger man es macht, um so erfahrener wird man. Das ist letztlich die wichtigste Grundlage, um später auch als Partner erfolgreich sein zu können. Anwaltsbusiness ist People Business und wer es eben nicht schafft seine exzellenten fachlichen Voraussetzungen, wir sagen „die PS auf die Straße zu bringen“, der kann bei uns auch glücklich werden, aber der wird wahrscheinlich größere Schwierigkeiten haben den Partnerweg zu beschreiten.

Aber der Weg steht ihm offen, wir nehmen ihn an die Hand, wir führen ihn sozusagen an das Anwaltsgeschäft heran und er hat den Vorteil, hier den Mandanten zugeführt zu bekommen und gemeinsam mit uns neue Mandate angreifen zu können und Mandate auszubauen.

Das Ziel muss es sein, dass er selber sein eigenes Dezernat so ertragreich und erfolgreich aufbaut, dass er zusätzliche Arbeit generiert. Da spüren wir in gewisser Weise auch eine gewisse Verantwortung. Wir sehen Partner partnerschaftlich, der Partner trägt eben auch eine wirtschaftliche Verantwortung. Wir überlegen, bevor wir jemandem eine wirtschaftliche Verantwortung übertragen, was letztlich auch wirtschaftliches Risiko heißt, ob die Person das Zeug dazu hat dieses wirtschaftliche Risiko einzugehen. Das sind sehr ernsthafte Gespräche, die wir da führen und deswegen sagen wir nicht jedem „ja“. Aber ich bin der festen Überzeugung, wer es wirklich will, der schafft das.

Um in der Karriere voran zu kommen, genügt es nicht allein, fachlich zu glänzen. Mit zunehmender Seniorität wird gerade Management-Wissen bedeutsam. Spätestens wenn Sie Partner werden, wechseln Sie die Seite vom Arbeitnehmer zum Unternehmer. Mit unserer Rubrik Associate Management- Wissen wollen wir Ihnen Anregungen geben, eingefahrene Wege kritisch zu hinterfragen, und Ihnen aktuelles Management- Wissen näher bringen. Angelehnt an das Heftthema geht es heute um „Work-Life“ Balance als Managementaufgabe.

Associates sind Wissensarbeiter. Anwälte waren dies seit jeher. Was sich aber grundlegend geändert hat – zumindest was die Wirtschaftskanzleien betrifft- ist die Arbeitsorganisation der Anwaltschaft als Unternehmen. Diese Veränderung der Organisationsstruktur anwaltlicher Arbeit ist in Deutschland eine immer noch relativ junge Erscheinung. Erst mit der Aufhebung des Verbotes überörtlicher Anwaltszusammenschlüsse 1989 haben sich größere Einheiten in Deutschland etabliert - eine Entwicklung, die in den USA eine über 100-jährige Geschichte hat.

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Organisiert man eine Anwaltskanzlei als größeres Unternehmen, kommt man an einer modernen ressourcenorientierten Unternehmensführungsstrategie nicht vorbei. Eine ausschließlich am Markt und der Nachfrage orientierte Strategie wird kaum funktionieren. Der Markt kann noch so gut sein, zum Beispiel die Nachfrage nach Abwicklung von Unternehmenskäufen, aber eine Kanzlei, die keine marktorientierte fachlich versierte Personalressource hat oder finden kann, wird in diesem Markt keinen Fuß fassen. Auf der anderen Seite kann die reine ressourcenorientierte Betrachtung des Wissensarbeiters schnell zu Spannungen führen, insbesondere dann etwa, wenn der „Human Resource“, das „Human“, die individuellen Bedürfnisse des Menschen und seine soziale Einbindung, verloren geht.

Bereits 1930 sprach man in New York abwertend von „Law Factories“, die man mit der Industrie verglich. Dort seien die Anwälte platt gesagt der Maschinenpark einer Law Firm, regelmäßig die besten Turbinen, die es am Markt für gutes Geld zu kaufen gäbe. Sind sie durch die Akquise und erfolgreiche Strategie der Partner gut beschäftigt, inklusive Nacht- und Wochenendauslastung, erarbeiten sie für das Unternehmen gehörige Überschüsse. Eine Investition, die sich lohnt, zumal diese durch Monatsraten finanziert werden kann.

Im Jahre 2013 in Deutschland sind jedoch Associates keine Maschinen, sondern Menschen mit eigenen Vorstellungen, Wünschen und Zielen, eingebettet in ein privates soziales Umfeld. Und sie entscheiden selbst, wem sie ihre Arbeitszeit zu welchen Bedingungen verkaufen. Modernes Kanzleimanagement hat daher auch die Aufgabe, Erwartungen und Ziele der Mitarbeiter mit den Zielen des Unternehmens Kanzlei in Einklang zu bringen. Dabei ist es für eine Sozietät von entscheidender Bedeutung, die „richtigen“ Mitarbeiter zu finden und zu binden.

Und Work-Life Balance spielt hierbei tatsächlich eine wichtige Rolle und ist mitnichten eine „Modeerscheinung“ oder gar Ansatz für eine Verweichlichungsdebatte.

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Work-Life Balance Management ist Konfliktmanagement
Versteht man unter Work-Life Balance mit den Worten der Wirtschaftswissenschaftlerin Ruth Stock-Homburg „einen Zustand der Ausgewogenheit zwischen Beruf und Privatleben, der eine Zufriedenheit mit der eigenen Rollenerfüllung in verschiedenen Lebensbereichen und eine Vermeidung dauerhafter Überlastungen ermöglicht“, wird schnell klar, wo die Konflikte lauern. Jeder Mensch lebt sein Leben in unterschiedlichen Beziehungen und Rollen. Jeder Mensch hat aber nur begrenzte Zeit. So sind es regelmäßig die Konflikte, über die sich das Thema Work - Life Balance definiert. Die Rolle „Eltern“, gelebt beim Jugendfußballturnier am Wochenende, kollidiert mit der Rollenerwartung des Mandanten und des Vorgesetzen an eine jederzeitige Einsatzbereitschaft und Erreichbarkeit. Umgekehrt können private Belastungen, zum Beispiel ein Hausbau oder die Krankheit eines nahen Angehörigen, Konflikte aus dem Privaten in die Arbeit tragen und die Ausgewogenheit, die Balance zerstören. Man spricht dann, je nachdem aus welcher Rollensphäre die hohe Belastung oder Einbindung stammt, von „Life to Work“ oder eben von „Work to Life“ Konflikten. Dabei steht regelmäßig beim Thema „Life“ die Familie im Vordergrund. Das muss gerade bei Berufseinsteigern aber nicht unbedingt der Fall sein.

Zitat7Hier zählen häufig der Freundeskreis, aber auch zum Beispiel der Sport oder andere Hobbies zum Konfliktpaar. Ungelöste Konflikte in beide Richtungen führen unweigerlich zu echtem negativen Stress.

Der Beitrag des Kanzlei-Managements zur Erreichung einer Ausgewogenheit im Spannungsfeld Work und Life, respektive zum Rollenkonfliktmanagement sollte sich im Retention Management Konzept einer Kanzlei finden. Denn dem Unternehmen Kanzlei ist daran gelegen, kompetente Mitarbeiter – vom Empfangssekretariat bis hin zum Equitypartner – zur Leistung zu motivieren und im Unternehmen zu halten. Wissen, Mandate und Beziehungen aber auch Reputation verlassen mit unzufriedenen Mitarbeitern und Partnern unwiederbringlich die Organisation.

Bild2Doch nicht nur die Verlustgefahr kann Triebfeder für eine stärkere Berücksichtigung des Retention Managements im Kanzleialltag sein. Es kann auch profitabler machen.

Wissensarbeit produktiver zu machen, ist die große Aufgabe dieses Jahrhunderts, so der Wirtschaftswissenschaftler und Vordenker der modernen Managementlehre Peter F. Drucker. Motivierte Mitarbeiter, die ihrem Unternehmen ein großes Commitment entgegen bringen, sind per se produktiver als gestresste Burn-out Kandidaten.

Ein Retention Management Konzept entwirft zunächst ein an der Organisation und den Mitarbeitern ausgerichtetes Instrumentarium aus kalkulatorisch, normativ und affektiv wirkenden Maßnahmen, um das Commit- ment zu erhöhen. Angelehnt an Rolf van Dick, Professor für Sozialpsychologie und Direktor des Center for Leadership and Behavior in Organizations (CLBO) an der Goethe-Universität Frankfurt, unterscheiden sich die Arten des Commitment folgendermaßen:

Affektiv: Emotionale Verbindung zu einer Organisation.

Die Organisation hat eine große persönliche Bedeutung für den Mitarbeiter und der Mitarbeiter will ihr daher auch zukünftig gern angehören.

Normativ: Akzeptanz der Organisationswerte und Verpflichtung aus ethischen und moralischen Gründen.

Der Mitarbeiter ist an die Organisation gebunden aufgrund des Vorverhaltens und der Leistungen der Organisation für den Mitarbeiter, sowie aufgrund gelebter Werte wie beispielsweise die Verpflichtung Kollegen gegenüber.

Kalkulatorisches Commitment:
Vermeidung von Wechselkosten bei Verlassen der Organisation.

Wenn ein Arbeitgeber allein darauf vertraut, dass seine Mitarbeiter nur unter erheblichen persönlichen Verlusten wechseln können und nur daher bleiben, zahlt er seinen Preis, denn dieses Commitment ist letztlich ein Pyrrhussieg. Er bindet damit zwar seine Mitarbeiter, aber Studien beweisen, dass diese rein rational berechnende Mitarbeitertreue Leistung und Engagement negativ beeinflussen kann.

Retention Management erzeugt Commitment Im besten Falle erzeugt konsequentes Retention Management alle drei Commitmentformen. Dann wollen die Mitarbeiter gefühlsmäßig zum Unternehmen gehören, sie sind auf der Verstandesseite auch subjektiv überzeugt, dass das richtig ist, und sie sind der Meinung, dass sie das objektiv auch müssen.

Insbesondere im personenbezogenen Anwaltsunternehmen ist Bindungsmanagement in erster Linie Führungsaufgabe der Partner im Alltag.

Gerade wenn es um Work-Life Konflikte geht, spielt die vorgelebte Kultur eine große Rolle. Hier werden die Werte kommuniziert, an die sich die Mitarbeiter binden sollen. Hier sind aber auch der Instinkt und eine offene Kommunikationskultur verlangt, um individuelle Lösungen zu erarbeiten.

Zitat8Wissenschaftliche Untersuchungen wie insbesondere die Arbeit „Die Wirkung von Work-Life Balance Initiativen auf das Mitarbeitercommitment: Eine empirische Untersuchung in der Unterneh- mensberatungsbranche“, veröffentlicht in der Zeitschrift für Personalforschung ZfP 2010, S. 231ff deuten in die Richtung, dass aber auch institutionalisierte strategische Work-Life Balance Initiativen durchaus wirkungsvoll sind.

Die Studie unterscheidet hier zwischen zeitbezogenen, Informations- und finanziellen Strategien sowie direkte Services. Alle haben einen positiven Effekt auf die Bindung der Mitarbeiter, sogar das bloße Angebot ist hier schon Commitment erhöhend.

Ein etwas überraschendes Ergebnis ist, dass es nicht die großen Programme zur Elternzeit sind, die am häufigsten genutzt werden, sondern Freitzeitausgleich, Weiterbildungsangebote und Gesundheits- förderung. Aber auch die Wichtigkeit des Verhaltens der Vorgesetzten konnte bestätigt werden. Stehen diese hinter den Programmen, werden sie auch genutzt.

„Es besteht ein direkter positiver Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Unterstützung durch den Vorgesetzten und der Nutzung von Work-Life Balance Initiativen“, so die Studie. Dabei gehört die Umsetzung des Retention Managements zu den Aufgaben jeder Hierarchieebene.

Nicht nur als Führungskraft, sondern auch als Teamkollege oder bei Gesprächen mit Stelleninteressenten auf Messen und Bewerbertagen trägt jeder unmittelbar zur Bindungs- und Attraktionswirkung bei – oder im schlechteren Fall zum Gegenteil.

Erfolgreiches Retention Management führt zu hohem institutionellem Commitment. Die Identifikation mit dem Unternehmen steigt, Mitarbeiter, Associates oder auch Partner setzen sich stärker ein und verlassen das Unternehmen nicht.

Fazit
Work–Life Balance ist auf Seiten der Arbeitnehmer zum einen eine Werteentscheidung darüber, welchen Rollen sie in ihrem Leben ein stärkeres Gewicht geben wollen. Dabei verändern sich die Anforderungen im Laufe eines Lebens.

Auf Seiten des Managements ist die Frage, wie sich das Bedürfnis der Mitarbeiter, einen Ausgleich zwischen der beruflichen Rolle und weiteren privaten Rollen zu schaffen, eine Themenstellung der Personalstrategie.

Programme wie Kinderbetreuung oder Teilzeit sind nur ein Baustein. Wesentlich ist es aber auch in der täglichen Führung und im kollegialen Miteinander, diese Spannungsfelder individuell zu lösen.

von Peter Neuberger,
Partner hemmerconsulting

 

 

Im Gespräch mit Menold Bezler

Menold Bezler sieht sich als unabhängige Rechtsanwalts- und Notarkanzlei mit Sitz in Stuttgart mit dem Fokus auf mittelständische Unternehmen und Unternehmer. Dabei steht die Kanzlei für das komplette Leistungs-portfolio einer Großkanzlei, verbunden mit der individuellen Betreuung einer kleineren Einheit. Doch wie steht die Kanzlei zum Thema Work-Life-Balance und vor allem wie wird das gelebt? Peter Neuberger sprach mit Dr. Julia Schneider und Dr. Jörg Schneider-Brodtmann und erhielt interessante Einblicke.

Herr Dr. Schneider-Brodtmann, Sie sind als Partner der Kanzlei Menold Bezler in Stuttgart auch für das Personalrecruiting zuständig. Ist für Sie das Schlagwort Work-Life Balance ein Thema?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Ich mache Personalarbeit nun seit mehr als zehn Jahren und kenne das Thema sehr gut. Das Thema Work-Life Balance beschäftigt und bewegt uns. Es steht auch in den Medien verstärkt im Vordergrund. Und es macht Sinn, sich darüber noch mehr Gedanken zu machen.

Bild3Was waren denn Ihre Beweggründe in eine Wirtschaftskanzlei zu gehen?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Das ist schon ein paar Jahre her, ich bin jetzt seit 17 Jahren im Beruf. Ich war damals bei meiner Berufswahl offen für andere Karrieren. So habe ich mir auch die Justiz angeschaut. Was mich letztlich bewogen hat, Anwalt zu werden, war die inhaltliche Freiheit, die der Beruf bietet. Als Anwalt sind Sie ein Berater, Sie können gestalten, Sie können die Dinge in die Hand nehmen. Letztlich ist es die Freiheit, als Anwalt in einer Sache den Mandanten an die Hand zu nehmen und in eine Richtung zu führen.

Das Thema Work-Life Balance betrifft im Kern das Thema Zeit. Wirtschaftskanzleien haftet der Ruf an, dass die Arbeit sehr zeitintensiv ist. Ist das so?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Das Zeitmoment ist ein entscheidendes Moment. Wir sind Dienstleister und wenn wir erfolgreich und gut sind, wird die Dienstleistung intensiv nachgefragt. Das lässt sich natürlich nur mit einem gewissen Zeitaufwand bewältigen. Es ist immer ein zeitlicher Input gefordert. Man kann das optimieren, der eine braucht mehr, der andere weniger Zeit, aber das Zeitmoment ist immer entscheidend. In Wirtschaftskanzleien ist der zeitliche Einsatz sicherlich höher als bei der Justiz und tendenziell auch höher als in Unternehmen. Es gibt aber graduelle und individuelle Unterschiede in verschiedenen Wirtschaftskanzleien.

Hat das Thema Work-Life Balance für Bewerber heute an Wichtigkeit zugenommen oder hat sich nichts verändert und ist es nur ein Modethema?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Wir nehmen es nicht ganz so stark wahr, wie es der medialen Aufbereitung entspricht. Laut Umfragen steht das Thema für Bewerber an erster Stelle. So erleben wir das aber nicht. Work- Life Balance spielt jedoch in den Gesprächen eine Rolle und wird heute selbstbewusster angesprochen als noch vor fünf oder zehn Jahren. Es ist aber nicht das zentrale Thema. Die Bewerber trauen sich nachzufragen, wobei man schon immer über das Zeitthema gesprochen hat. Wichtiger sind die Themen Arbeitsatmosphäre, Teamgeist, stimmt der Spirit in der Kanzlei und wie sind die Altersstrukturen? – Themen, die auch eine qualitative Komponente haben. Da geht es nicht um die strikte Trennung Arbeit und Privatleben, sondern vielmehr darum, wie ist qualitativ in der Arbeitszeit der Umgang miteinander und wie verbringe ich qualitativ meine Arbeitszeit?

Ist Work-Life Balance eine Frage der Kanzlei-Kultur?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Den Begriff Work-Life Balance mag ich nicht so, weil er schief ist. Es gibt nicht hier ein „Work“ und da ein „Life“. Die Arbeit ist ein Teil des Lebens, daher spreche ich lieber von Life-Balance. Das inhaltlich-qualitative Thema steht im Vordergrund und es macht schon einen Unterschied, ob ich als junger Berufsanfänger in einem Team viele junge Kollegen habe und mich austauschen kann, offene Türen vorfinde und von Anfang an in Projekte eingebunden bin. Demgegenüber steht das klassische Bild: Werde ich in einem kleinen fensterlosen Raum eingeschlossen und bekomme lediglich Akten auf den Tisch, die ich bearbeiten soll? Ich denke, da geht es um die Frage der Lebensqualität.

Frau Dr. Schneider, Sie sind angestellte Rechtsanwältin bei Menold Bezler und arbeiten im Bereich gewerblicher Rechtsschutz. War für Sie bei der Berufswahl das Thema Life-Balance von Bedeutung?
Dr. Julia Schneider: Es spielte im Hintergrund eine Rolle. Damals, vor ziemlich genau fünf Jahren, hätten sich die meisten Bewerber nicht getraut, das so direkt anzusprechen wie heute. Man hat sich natürlich für die Arbeitszeit interessiert und wie in dieser Hinsicht die Erwartungshaltung der Kanzlei ist. Aber das gesamte Thema Work-Life Balance, wie es vor allem in den vielen Zeitschriften momentan dargestellt wird, war im Selbstbewusstsein der Bewerber so bestimmt nicht vorhanden.

Sie arbeiten hier in Teilzeit. Ist es einfach, die Mandatsbearbeitung in Teilzeit zu erbringen? Wie ist dies organisierbar und wie empfinden Sie das?
Dr. Julia Schneider: Ich habe das ganze Programm an Teilzeitmöglichkeiten durchlaufen, das Menold Bezler anbietet. Ich habe schon in Teilzeit hier angefangen und promotionsbegleitend ein Jahr in der Kanzlei gearbeitet. In dieser Phase war der Teilzeitaspekt ein ganz anderer als jetzt. Neben der Promotion ist man am Anfang seiner anwaltlichen Tätigkeit noch nicht so sehr in die Mandatsarbeit einbezogen, obwohl wir uns sehr bemühen, das bei den jungen Kollegen voranzutreiben. Dann habe ich vier Jahre in Vollzeit gearbeitet und bin danach ein Jahr in Elternzeit gegangen. Jetzt habe ich wieder in Teilzeit angefangen zu arbeiten und habe mir beim Wiedereinstieg die Frage gestellt: Kann das funktionieren? Das Ganze ist nun zwölf Monate her seit meinem Wiedereinstieg und ich kann Ihnen heute sagen, ja, es funktioniert.

Bild11Funktioniert es nur oder würden Sie es auch anderen raten?
Dr. Julia Schneider: Ich kann nur Mut machen, das so oder in anderer Form zu tun und es zu versuchen, wenn man eine Familie haben möchte. Man muss weder auf das eine noch auf das andere verzichten. Es ist sicherlich abhängig auch von den Bereichen in denen man arbeitet. Der gewerbliche Rechtsschutz bietet die ganze Spannbreite: Wir haben diese reinen IP-Mandate, wir haben aber auch transaktionsbezogene Mandate, wo wir auch im Team mit anderen Kollegen arbeiten und uns gemeinsam abstimmen, und auch das funktioniert gut.

Herr Dr. Schneider-Brodtmann, gibt es in Ihrem Haus feste Teilzeitprogramme oder ist das eher eine individuelle Frage, die unterschiedlich geregelt wird?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Wir sind in das Thema hineingewachsen, weil wir eine junge Kanzlei sind. In der Form wie heute bestehen wir seit 2004, als wir die Kanzlei mit 20 Anwälten gründeten. Wir sind jetzt sehr stark gewachsen und sind derzeit 70 Anwälte. Das zeigt sich in unserer Altersstruktur: Wir haben sehr viele junge Kollegen - unser Altersschnitt liegt deutlich unter 40, bei den Jüngeren ist der Frauenanteil sehr hoch, er liegt bei den unter 35-Jährigen sogar deutlich über 50 %. Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auf uns zugekommen, lange bevor es eine Diskussion über Work-Life Balance gab. Unser Modell ist, so flexibel wie möglich zu sein. Es ist unser Interesse, dass die Mitarbeiter zufrieden sind. Frau Dr. Schneider ist ein gutes Beispiel hierfür. Wir hatten auch schon Väter, die ihre Elternzeit genommen haben. Nun sind wir auf dem Weg zu einem sogenannten „Programm“. Wir haben ein Teilzeitmodell auf der Ebene der Partnerschaft im Gesellschaftsvertrag eingeführt, bei dem ein Partner zwischen 50% und 100 % frei wählen kann. Das wird von einem jungen Partner schon in Anspruch genommen. Wir greifen die Dinge auf und versuchen uns damit auch fortzuentwickeln.

Wie wird das von der Mandantenseite gesehen? Sehen die Mandanten ein Problem darin, wenn sie von einem Mitarbeiter betreut werden, der in Teilzeit tätig ist?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Da kann Frau Dr. Schneider aus eigener Erfahrung am besten etwas dazu sagen. Dr. Julia Schneider: Ich habe mich entschieden, das relativ offen zu kommunizieren und habe durchweg positive Erfahrungen damit gemacht. Das Wichtigste ist selbstverständlich die Qualität der Mandatsarbeit. In vielen Fällen haben die Mandanten Verständnis dafür, dass die Arbeit in der Zeit erfolgt, in der ich da bin, denn ich bin ja relativ viel hier vor Ort in der Kanzlei. Und ansonsten braucht man ein Team, das einen unterstützt. Ich entlaste die Kollegen, wenn ich da bin, und anders herum, und das funktioniert. In Kombination mit den modernen Kommunikationsmitteln, die uns heute natürlich allen zur Verfügung stehen, kann man das eigentlich sehr gut bewältigen. Es gibt Stresssituationen, es kommt mal Hektik auf, denn im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes geht’s häufig eilig zu, gerade wenn es um eine einstweilige Verfügung geht. Aber wir sind ein Team, das zusammenhält, so dass man das alles sehr gut bewerkstelligen kann.

Wenn man die Work-Life Balance-Frage als Kulturfrage sieht, die fragt, wie man als Arbeitgeber mit der Lebenszeit des Mitarbeiters umgeht, gibt es da Veränderungen zu früher?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Für uns war diese Frage schon damals relevant, als die Kanzlei neu gegründet wurde. Wir haben uns ja aus einem großen Verbund herausgelöst, das heißt wir hatten alle die Erfahrungen in Groß- und Größtkanzlei gemacht und insofern war es schon wichtig, mit einem gemeinsamen Spirit an den Start zu gehen und uns den auch zu erhalten. Das wird natürlich immer schwieriger, wenn Sie mit 20 Leuten starten und dann auf 50 und 70 Köpfe wachsen. Wir haben aber einen Vorteil, denn wir haben nur einen einzigen Standort in Stuttgart, das heißt alle kennen sich gut. Das macht es natürlich schon viel einfacher, als wenn man über Standortgrenzen hinweg die Dinge erst ausbalancieren muss. Was es fördert und was es uns leichter macht, solche Modelle wie das von Frau Dr. Schneider zu fördern, ist, dass wir einen starken Teamansatz haben, sprich der Einzelne ist eben Teil des Teams und wo sich der Einzelne zurücknehmen muss aus zeitlichen Gründen, fängt das Team das auf. Dann werden die Fälle eben von zwei Kollegen bearbeitet, damit z.B. die Arbeit in den Stunden am Nachmittag, in denen der Kollege oder die Kollegin nicht da sein kann, weiter gehen kann, gerade in einer Transaktion.

Wie stark fließt das letztendlich auch in den Bereich der Nachwuchsgewinnung, also der Personalentscheidung, ein? Wie findet man bei einem Bewerber heraus, ob er oder sie diese Kultur so auch will und bei Ihnen gut reinpasst? Ist das auch ein Auswahlkriterium?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Absolut, es ist bei uns ein wichtiges Auswahlkriterium. Ich persönlich gehe oft in Zweitgespräche noch mit hinein, um zu sehen, passt der oder die Kandidatin wirklich zu uns. Wir haben Fälle, in denen wir Kandidaten mit sehr guten Noten hatten, die wir dennoch nicht genommen haben, weil wir das Gefühl hatten, das passt einfach nicht. Wir achten schon auf das „gelebte Miteinander“ - das sind große Worte, die wir auch leben. Es spielt eine echte Rolle in den Bewerbungsgesprächen. Wir reduzieren die Fragen, die wir den Bewerbern stellen, nicht nur auf die Ausbildung und fachliche Qualifikation, sondern wir fragen auch: Was motiviert Sie? Was motiviert Sie Anwalt zu sein? aber auch: Was machen Sie in der restlichen Zeit? Womit beschäftigen Sie sich in Ihrer Freizeit? Das sind alles Themen, die uns auch interessieren.

Ist damit Work-Life-Balance auch ein Thema der Persönlichkeit und des Erlebens?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Wichtig für uns ist, das Thema nicht nur auf das Zeitthema zu reduzieren, sondern die Frage nach der Qualität zu stellen. Wo bekomme ich die Qualität in meinem Berufsleben und auch im Privatleben her? Ich glaube das ist entscheidend. Wenn ich nur sechs Stunden hier bin und unglücklich bin, sind es trotzdem sechs Stunden, die ich verloren habe. Dann sind vielleicht acht oder zehn Stunden besser, in denen ich das tue, mit dem ich mich identifizieren kann und zufrieden bin. Natürlich gibt es für uns noch Herausforderungen, Fragestellungen wie: Wie können wir noch besser werden? oder: Wo können wir unsere Mitarbeiter unterstützen? So ist ein Thema, mit dem wir uns schon länger beschäftigen, das Thema Kinderbetreuung. Wir haben bereits relativ viele Modelle durchgespielt, angefangen von einem Betriebskindergarten, und uns andere Einrichtungen angeschaut und gemerkt, dass wir dafür noch zu klein sind. Es sind ja auch bisher sehr wenige Kanzleien in Deutschland, die solche Einrichtungen haben, und wenn, dann nur die ganz Großen. In Frankfurt gibt es wohl zwei oder drei solcher Sozietäten. Dann haben wir Belegplätze von bestimmten Anbietern angesehen, haben jedoch gemerkt, dass die Flexibilität uns nicht ausreicht. Häufig wollen unsere Mitarbeiter ihre Kinder nicht in der Nähe der Kanzleiräume unterbringen, sondern doch eher in der Nähe des Wohnortes, wo dann vielleicht auch die Großeltern sind. Worüber wir uns jetzt Gedanken machen, ist beispielweise ein Zuschuss zu den Kinderbetreuungskosten, um gerade den Frauen den Wiedereinstieg zu erleichtern.

Zitat9Ist also das Thema Kinderbetreuung schon ein zentraler Faktor?
Dr. Julia Schneider: Ich finde, es ist ein Zeichen von Seiten des Arbeitgebers wenn man merkt, dass er sich über solche Themen Gedanken macht. Abgesehen davon, dass die konkrete Person Hilfe bekommt, ist dies einfach auch ein klares Signal an die Bewerber, dass man eben in einer solchen Kanzlei Familie und Arbeit vereinbaren kann. Es ist aber auch wichtig, selbst die Bereitschaft dafür zu haben. Man muss flexibel sein, aber es ist natürlich ein sehr gutes und wichtiges Gefühl, dass die Kanzlei diese Teilzeitmodelle unterstützt und diese Familienfreundlichkeit hoch hält. Ich rate deshalb auch den Bewerbern, dies im Vorstellungsgespräch konkret anzusprechen, wenn das Thema für jemanden relevant ist. Dann wird man schnell merken, ob man an der richtigen Adresse ist oder eben auch nicht. Ich denke, es gibt noch viele Kanzleien, die da doch sehr konservativ aufgestellt sind.

Ist es bei Ihnen dann also auch möglich, Karriereziele, wie das Ziel Partner zu werden, mit privaten Lebenszielen zu verknüpfen?
Dr. Jörg Schneider-Brodtmann: Auch das ist ein Thema, in das wir hineingewachsen sind. Das ist eine Veränderung, die es vor fünf Jahren in Großkanzleien noch nicht gab, nämlich dass man ein Teilzeitmodell für Partner hatte, in dem die Partner frei entscheiden können, ob sie ihre Arbeitszeit reduzieren oder nicht. Das war früher undenkbar. Wir sind in das Thema hineingekommen über einen älteren Partner, der gesagt hat, er möchte jetzt mal reduzieren. So haben wir uns dann mit der Fragestellung beschäftigt, und da gab es innerhalb der Partnerschaft keine große Diskussion, und man hat gesagt: Wieso soll er das nicht tun, wenn er dies möchte? Dann war die Konsequenz zu sagen: Warum soll das nur ein älterer Kollege können? In manchen Kanzleien gab es das Modell lange Zeit nur für Frauen. Warum soll es also nicht auch ein Mann können? Wir haben zurzeit sowohl auf Salary-Partner-Ebene als auch auf Equity-Partner-Ebene Teilzeitpartner, von daher denke ich, der Weg muss für alle offen sein.

Mit der Kultur ist das so eine Sache: Kaum glaubt man sie begriffen zu haben, dann hat sie sich schon ver- wandelt. So geht es auch der Kultur der Arbeitswelt, allen voran die Frage nach dem richtigen Maß zwischen Arbeitsleben und Privatleben. Die Generation der „Baby Boomer“, also die, die zwischen 1946 und 1964 geboren wurde, beantwortete diese Frage pflichtbewusst mit „Für die Arbeit leben!“. Nach dieser Einstellung richteten sich der Arbeitstakt und die Arbeitszeiten. Die Generation X, geboren von 1965 bis 1976, wollte schon „Arbeiten um zu leben“. Die Generation Y, die das Lebenslicht zwischen 1977 erblickt hat, verkündet vollmundig „Erst leben, dann arbeiten“. Was immer man von diesen soziologischen Erkenntnissen halten will, klar ist, dass sich die Bedeutung der Frage, wie vereinbare ich meine unterschiedlichen Lebensziele gerade im Anwaltsberuf, in dem wie in keinem anderen Zeit und Erfolg eng verknüpft sind, miteinander. Vereinfacht ge- fragt: Merger&Akquisitions oder doch lieber Work-Life Balance?

Merger&Akquisitions oder doch lieber Work-Life Balance? Das ist die Formel, auf die leider immer noch viele Berufseinsteiger aber auch berufserfahrene Juristen wesentliche Karriereentscheidungen reduzieren. Doch mit dieser grob vereinfachten Sichtweise sind sie nicht allein. Auch in einschlägigen Medien oder in Verlautbarungen von Verbänden werden solche stereotypen Betrachtungsweisen unreflektiert immer wieder wiederholt. Dabei übersehen diese zwei wesentliche Dinge.

Zum einen hat sich das Berufsbild und die Organisation gerade im Bereich der Anwaltschaft in den letzten zehn Jahren grundlegend gewandelt, zum anderen war die Frage, wie man mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf umgeht, schon immer eines: individuell. Das soll nun auf der anderen Seite aber nicht heißen, dass es das Spannungsfeld zwischen Karriere und Kindern nicht mehr gebe. Was es aber gibt, sind individuelle Ansätze und Strategien, diese Frage zu lösen. Es lohnt sich für die eigene Karriere etwas tiefer in diese Materie einzusteigen, um so die persönlichen Entscheidungen besser treffen zu können.Zitat1

Für die 15% der besten Absolventinnen und Absolventen eines Jahrgangsstellt sich der Arbeitsmarkt durchweg positiv dar. Das war schon immer so. Richter wurde und wird man über die Note. Was sich geändert hat, ist, dass durch die Entwicklung einer Branchenspitze von internationalen Wirtschaftskanzleien im vergangenen Jahrzehnt ein neues Berufsbild in der deutschen Anwaltsschaft entstanden ist: der Associate.

Dieses Berufsbild ist geprägt von einem hohen Anspruch an die fachliche Kompetenz und persönliche Einsatzbereitschaft, von Internationalität und Mobilität. Die Kanzleien bieten regelmäßig eine erstklassige Ausbildung, vielfach in exklusiven Spezialgebieten, sowie Spitzengehälter, die die meisten Anwälte auch nach vielen Jahren kaum erreichen, ganz zu schweigen von Richtern oder Staatsanwälten.

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Für viele Absolventen geht der Weg früher oder später in Richtung Selbstständigkeit. Für eine Selbstständigkeit reicht das Rüstzeug, das einem die Ausbildung gibt, nicht vollständig aus.

Gerade die ersten drei Jahre sind auch hier geprägt von intensiver Arbeit, Lernen und vor allem dem Aufbau des Geschäfts, sprich des Mandantenstamms.

Rush Hour des Lebens
Diese spannenden und intensiven Karriereoptionen treffen auf die Absolventinnen und Absolventen, bedingt durch die relativ lange Dauer der juristischen Ausbildung in Deutschland mitten in die so genannte „Rush Hour des Lebens", der Phase zwischen 27 und 35 Jahren. In diesem komprimierten Zeitabschnitt entsteht für die meisten Menschen kulturell gerade in Deutschland das Gefühl unter Zeitdruck zu stehen. Der Abschluss der Ausbildung, die Wahl des Berufseinstiegs, Partnerwahl, eine Heirat und auch die Frage nach Kindern treffen aufeinander und hier macht sich der Nachteil der Karriereoption Associate bemerkbar: Diese fordert mehr Zeit, als die meisten anderen Optionen wie Richter oder eine juristische Tätigkeit in der Verwaltung. Dies macht gerade Frauen in Deutschland zu schaffen, so der siebte Familienbericht der Bundesregierung.

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Im Gegensatz zu Frauen in anderen Ländern wie Schweden, Frankreich oder Großbritannien, die in der „Rush hour" ihre Entscheidung für Kinder auf die Lebensmitte verschieben, deuten die Zahlen aus Deutschland darauf hin, dass hier die Frage eher unter dem Gesichtspunkt „wenn nicht jetzt, dann nie" betrachtet wird, was den beschriebenen Zeitdruck noch erhöht und die Alternative Associate merklich unattraktiver erscheinen lässt.

Frauen ziehen die klassischen Karrieren vor. So stellen Frauen mit 891 Richterinnen auf Probe, einer Karriere, die auch nur den besten Absolventen offen steht, mit 54,14 % die Mehrheit.

Entwicklung des Frauenanteils in der Anwaltschaft
Natürlich hängt diese Zahl auch mit der Entwicklung der Gesamtzusammensetzung des juristischen Nachwuchses zusammen. Waren Anwältinnen früher schlichtweg nicht präsent, haben sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten kräftig an Boden gewonnen. Sie bilden heute über 30% der Anwaltschaft. Damit ist aber auch gleichzeitig ein Teil der Frage beantwortet, warum es in Wirtschaftskanzleien so wenige Partnerinnen gibt. Die meisten dieser großen Wirtschaftskanzleien bestehen in Deutschland in ihrer heutigen Form noch keine zehn Jahre. Daher lässt sich aus dem Anteil der Partnerinnen sicher nicht ableiten, Frauen wären dort chancenlos. Hier gilt es, die Entwicklung abzuwarten. Die Chancen, Partner zu werden, sind generell nicht mehr so hoch, wie sie einmal waren, egal ob für Männer oder Frauen. Darauf haben die Kanzleien reagiert und neue Karrierestufen eingeführt. Auf dieser Ebene sind es die so genannten Non Equity Partner, als gehaltsentlohnte Partner.

Was man definitiv sagen kann, ist, dass gerade die Wirtschaftskanzleien keinerlei Zurückhaltung zeigen, qualifizierte Frauen in allen Bereichen und zu denselben Konditionen wie ihre männlichen Kollegen einzustellen, etwas was vor allem bei kleineren Kanzleien immer noch nicht selbstverständlich ist, so die Zahlen der Soldan-Stiftung. In mittleren und kleineren Kanzleien konnten zudem Vorbehalte festgestellt werden, Frauen auszubilden und einzuarbeiten, da sich dies aufgrund einer möglichen Schwangerschaft nicht lohnen würde, so Mechthild Düsing, im Vortrag „Frauen als Partner nur im Ganztagsjob?" bei der Herbsttagung der ARGE Anwaltsmanagement im Deutschen Anwaltsverein.

Unterschiedliche Ziele
Ein weiterer Grund dafür, dass sich Spitzen-Absolventinnen weniger für Wirtschaftskanzleien interessieren, liegt auch darin, dass die Vereinbarkeit einer solchen Tätigkeit mit ihren persönlichen Zielsetzungen insbesondere unter der oben dargestellten „Rush Hour"- Fragestellung auf den ersten Blick nicht möglich erscheint. Wie sich berufliche und außerberufliche Ziele bei Anwältinnen und Anwälten unterscheiden, ergab eindrucksvoll eine Sekundärdatenanalyse des Soldan-Instituts. Dieser Erhebung zufolge ist ein hohes Einkommen für Juristinnen deutlich weniger wichtig als für Juristen. Auch legen die Frauen sehr viel mehr Wert auf die Möglichkeit an einem bestimmten Ort zu wohnen, mit dem Ziel, Kontakt zu Familie, Verwandten und Freunden zu halten. Am ausgeprägtesten ist aber der Unterschied zwischen Männern und Frauen, wenn es um das Ziel geht, eine möglichst große Sicherheit zur Fortführung der Tätigkeit auch nach einer größeren Unterbrechung zu erhalten. Eine solche realistische Chance bildet das wichtigste Ziel von Anwältinnen, während es bei Anwälten auf dem vorletzten Platz rangiert.

Die gleiche Analyse hat auch zu Tage gefördert, dass Anwälte dazu neigen, wenn sie Kinder bekommen, deutlich mehr zu arbeiten, während ihre weiblichen Kollegen regelmäßig ihre Arbeit einschränken und oftmals für längere Zeit ganz aufgeben. Dies zeigt zumindest im Ansatz, dass bei Anwälten das traditionelle Einverdiener-Familienmodell, die Versorgerehe vorherrscht. Doppel- Versorgerfamilienmodelle mit externer Kinderbetreuung oder Doppelversorger-/ Doppelbetreuer- Modelle, bei denen sich die Partner sowohl den Erwerb als auch die Familienarbeit partnerschaftlich teilen, werden derzeit von Anwältinnen und von Anwälten weniger in Betracht gezogen.

Teilzeit und kulturelle Hintergründe
Mitursächlich hierfür ist sicherlich auch, dass der Anwaltsberuf in einer Kanzlei schwierig in Teilzeit zu organisieren ist. Die starke persönliche Mandantenorientierung setzt hier faktische Grenzen. Einige Kanzleien haben aber gezeigt, dass es durchaus möglich ist, zumindest in gewissen Bereichen und mit Einschränkungen die Arbeit auch in Teilzeit zu organisieren. Je größer eine Sozietät ist, umso leichter fällt es ihr, die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen.

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Hinzu kommt, dass in einigen Fällen die Gefahr besteht, dass in Teilzeit Arbeitende aufgrund einer "Anwesenheitskultur" Karrierenachteile erfahren können.

Im Familienbericht der Bundesregierung wird daher darauf hingewiesen, dass eine solche Präsenzkultur oftmals mit einer „dominanten männerbündischen Arbeitsskultur" einhergehe, die Frauen ausschließt. Nur wer bis 21:00 Uhr bleibt, gelte als engagiert, erfolgreich und loyal.

Konsequenzen für die Karriereplanung
Wie kann man nun als Absolventin, aber auch als männlicher Berufseinsteiger, diesen kurzen Abriss über die Hintergründe für sich persönlich nutzen? Nun, ganz einfach. Im Rahmen der Karriereplanung sollte sich jeder mit diesen Aspekten beschäftigen und sich selbst einige wichtige Fragen beantworten. Zunächst gilt es, sich über die eigenen Vorstellungen und Ziele im Klaren zu sein. Auch die Frage, ob und wann man gerne Kinder hätte, sollte nicht unbeantwortet bleiben. Dabei sollte man sich konkret die Frage stellen, welches Familienmodell einem selbst und gegebenenfalls dem Partner als das richtige erscheint.

Man sollte sich bewusst sein, dass eine Karriere bis hin zur Partnerschaft in einer internationalen Wirtschaftskanzlei bei einem gleichzeitigen Wunsch nach Kindern kein Spaziergang wird. Dennoch ist es auch für Frauen und Mütter machbar. Kinderbetreuungsangebote und ein Lebenspartner, der Verantwortung für die Familie mit übernimmt, helfen dabei immens. Hier sollte man sich auch nicht scheuen konkret beim potentiellen Arbeitgeber nachzufragen. Daneben gibt es aber auch andere Wege, sehr sinnvolle Überlegungen zu einem Berufsstart bei einer Wirtschaftskanzlei in seine Karriereplanung miteinzubeziehen, gerade um die Familienplanung im Hinblick auf die eigene Karriere zu optimieren. Aufgrund der hervorragenden Ausbildung und der Kontakte, die man im Laufe von zwei bis drei Jahren als Associate neben einem extrem guten Gehalt erwirbt, ist diese Tätigkeit ein ideales Sprungbrett in die Rechtsabteilungen von Kanzlei-Mandanten oder von anderen Firmen, in deren Branchenschwerpunkt man tätig ist.

Durch diesen Sprung in eine Rechtsabteilung kann man die Flexibilität und die Teilzeitmöglichkeiten finden, die unter Umständen in der Kanzlei so nicht möglich waren, und dadurch der Familienplanung einen besseren Rahmen geben. Ohne eine vorherige Kanzleitätigkeit und die Erfahrung, die dort erworben wurde, ist es regelmäßig schwierig, solche Stellen in Wirtschaftsunternehmen zu finden.

Bei dieser Strategie sollte man sich frühzeitig mit der Struktur, den Aufgaben und der Tätigkeiten unterschiedlicher Rechtsabteilungen auseinander setzen, da diese zum Teil erheblich unterschiedlich aufgestellt sind.

Aber auch der Wechsel in eine andere Kanzlei, die bessere Möglichkeiten für die Verwirklichung der eigenen Vorstellungen in Bezug auf flexiblere Arbeitszeiten anbietet, ist eine Alternative. Selbst ein späterer Übertritt in die Justiz und in das Richteramt ist weiterhin möglich und nicht ungewöhnlich.

Zitat5Gerade in der Karrierealternative Selbstständigkeit, aber vor allem auch beim Karriereziel Gesellschafter einer Kanzlei zu werden, ist der Aspekt Planung in Hinblick auf eigene „Life" Vorstellungen von größter Wichtigkeit, wird aber in der Regel sträflich vernachlässigt, wie die Erfahrung aus der Beratung und zahlreichen Berufsstart- und Existenzgründungsseminaren zeigt.

Ein Business (Work) Plan ohne den Punkt „Life" Plan eignet sich maximal für Kapitalgesellschaften, denn für ein Geschäft wie das des Anwalts ist ein „Life" Plan ein entscheidender Erfolgsfaktor. Auch hier gibt es Lösungen zumindest dafür, um das Spannungsfeld Work/Life auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

Jeder Absolvent sollte sich bewusst machen, dass der Berufseinstieg eine große Bedeutung für die ganze Karriere hat, so dass dieser unter allen Aspekten durchdacht sein sollte. Auf der anderen Seite ist mit dem Berufseinstieg nicht der komplette Karriereweg fest zementiert. Wichtig bei der Karriereplanung ist auch, die größtmögliche Flexibilität zu erreichen und das nicht nur in Hinblick auf die fachliche Festlegung, sondern eben auch, was die Gestaltung des privaten Lebens anbelangt.

Hier bieten Wirtschaftskanzleien mehr, als manchmal auf den ersten Blick erscheint. Natürlich ist es bei dieser Entscheidung von großer Wichtigkeit, dass man sich eingehend mit der Kultur in den in Frage kommenden Kanzleien auseinandersetzt, um zu klären, ob man mit der jeweiligen Kultur zurechtkommt und ob sie sich mit den eigenen Vorstellungen und Werten deckt. Mit den Kolleginnen und Kollegen verbringt man schließlich eine Menge Zeit.

Work und Life sollten im Idealfall kein Gegensatzpaar sein, sondern vielmehr sollte die Arbeit ein Teil des Lebens sein, in dem man genauso viel Erfüllung findet, wie mit der Familie und Freunden.

von Peter Neuberger,
Partner hemmerconsulting