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Zuständigkeit des Familiengerichts: keine „sonstige Familiensache“ bei „ehestörender“ Äußerung eines Dritten!

ASLOGOBGH, Beschluss vom 19. Februar 2014, Az. XII ZB 45/13; vgl. auch NJW 2014, 1243

Sachverhalt: Die Antragstellerin begehrt vom Antragsgegner die Unterlassung der gegenüber ihrem Ehemann getätigten Äußerung, der Antragsgegner habe nicht am Tennistraining im Oktober 2011 teilnehmen können, weil er zeitgleich mit der Antragstellerin zusammen gewesen sei.
  Die Anrufung des Familiengerichts begründet die Antragstellerin damit, dass der Antragsgegner mit seinem Verhalten – wie schon bei vier anderen Ehen zuvor – das Ziel verfolgt habe, die Ehe der Antragstellerin zu zerstören.

Ist das angerufene Amtsgericht – Familiengericht – für dieses Verfahren zuständig?

A. Sound
Ein Verfahren, in dem die Unterlassung einer von einem Dritten getätigten Äußerung begehrt wird, die geeignet ist, die persönliche Beziehung zwischen Ehegatten zu beeinträchtigen, ist keine sonstige Familiensache i.S.d. § 266 I Nr. 2 FamFG.

B. Lösung
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts als Familiengericht ist gemäß §§ 23a Nr. 1, 23b GVG dann gegeben, wenn die hier zu beurteilende Streitigkeit als sonstige Familiensache zu qualifizieren ist. Dabei kommt eigentlich nur § 266 I Nr. 2 FamFG in Betracht.
  Nach dieser Vorschrift sind sonstige Familiensachen, für die die Zuständigkeit des Familiengerichts begründet ist, Verfahren, die aus der Ehe herrührende Ansprüche betreffen.
  Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Anspruch in der Ehe selbst seine Grundlage findet. Der bloße Zusammenhang des geltend gemachten Anspruchs mit einer Ehe genügt hierfür nicht.

1. Erster Ansatz: Behauptung einer Verletzung des räumlichgegenständlichen Bereichs der Ehe?

Neben den aus § 1353 BGB hergeleiteten Ansprüchen vermögensrechtlicher und persönlicher Art zwischen den Ehegatten werden von § 266 I Nr. 2 FamFG die Ansprüche erfasst, die dem Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft vor Störungen dienen.
  Dazu zählen insbesondere die sich aus §§ 823 I, 1004 BGB i.V.m Art. 6 I GG ergebenden Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche bei Störungen des räumlichgegenständlichen Bereichs der Ehe, auch wenn sie sich gegen einen Dritten richten.
  Eine Verletzung des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe ist durch die von der Antragstellerin behauptete Äußerung des Antragsgegners jedoch nicht gegeben.
  Der Schutzbereich des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“ beschränkt sich auf den äußeren Bereich der Lebensgestaltung der Ehegatten, der die Grundlage für das gemeinsame Ehe- und Familienleben bildet und zugleich den einzelnen Familienmitgliedern die Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen soll. Er umfasst daher insbesondere die Ehewohnung in dem Bestand, in dem sie die Eheleute gemeinsam nutzen. Ehestörungen, die unmittelbar die innere Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten berühren, sind dagegen als innerehelicher Vorgang nicht in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände einbezogen.
  Im vorliegenden Fall sieht die Antragstellerin die Ehestörung darin, dass der Antragsgegner mit seinem Verhalten das Ziel verfolgt habe, die Ehe der Antragstellerin zu zerstören. Aus diesem Vortrag der Antragstellerin ergibt sich kein Eingriff in deren äußeren ehelichen Lebensbereich, sondern eine Beeinträchtigung der persönlichen Beziehung der Eheleute untereinander, die vom Schutzbereich des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe als einem sonstigen Recht i.S.v. § 823 I BGB nicht erfasst wird.
  Daher entsprechen hier die für die Zuständigkeitsbestimmung maßgeblichen Umstände nicht gleichzeitig den notwendigen Tatbestandsmerkmalen des geltend gemachten Anspruchs (sogenannte doppelt relevante Tatsachen).


Anmerkung: Wie die Arbeitsweise des BGH hier zeigt, führt die Lehre von der Doppelrelevanz also nicht dazu, dass bereits eine pauschale Behauptung ausreichen würde. Vielmehr werden nur die Tatsachenbehauptungen als zutreffend unterstellt und eine rechtliche Schlüssigkeitsprüfung ist bereits in der Zuständigkeit durchzuführen.


Da die von der Antragstellerin behauptete Äußerung des Antragsgegners nicht in den Schutzbereich des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe eingreift, kann sich ein Unterlassungsanspruch der Antragstellerin lediglich aufgrund einer Verletzung ihrer persönlichen Ehre nach §§ 823 I, 1004 BGB ergeben.
  Aufgrund des Sachvortrags der Antragstellerin ist insoweit keine sonstige Familiensache i.S.v. § 266 I Nr. 2 FamFG gegeben.

2. Zweiter Ansatz: Behauptung eines sonstigen Sachverhalts i.S.v. § 266 I Nr. 2 FamFG?

Schließlich kann die hier zu beurteilende Streitigkeit nicht aus anderen Gründen als sonstige Familiensache i.S.v. § 266 I Nr. 2 FamFG qualifiziert werden.
  Der Gesetzgeber hat mit § 266 FamFG den Zuständigkeitsbereich der Familiengerichte deut-lich erweitert („Großes Familiengericht“). Damit sollen bestimmte Zivilrechtsstreitigkeiten, die eine besondere Nähe zu familienrechtlich geregelten Rechtsverhältnissen aufweisen oder die in engem Zusammenhang mit der Auflösung eines solchen Rechtsverhältnisses stehen, ebenfalls Familiensachen werden.
  Ordnungskriterium dabei ist nach der Gesetzesbegründung allein die Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand. Im Interesse aller Beteiligten soll es dem Familiengericht möglich sein, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden.
  In der Tat sind die Ehestörungsverfahren nur ein Beispiel für eine sonstige Familiensache i.S.v. § 266 I Nr. 2 FamFG.
  Die mit der Erweiterung der Zuständigkeit der Familiengerichte durch die Neuregelung in § 266 FamFG verfolgte gesetzgeberische Absicht erfordert es jedoch nicht, Verfahren, die nur mittelbar Auswirkung auf eine bestehende Ehe haben, als Familiensachen zu qualifizieren. Ein solches Verständnis des § 266 I Nr. 2 FamFG würde zu einem weit ausufernden Anwendungsbereich der Vorschrift führen, weil sich dieser dann auch auf Verfahren erstrecken würde, deren Einordnung als Familiensache nicht mehr mit der Sachnähe der Familiengerichte zum Verfahrensgegenstand gerechtfertigt werden kann.
  So liegen die Dinge hier. Eine besondere Sachnähe des Familiengerichts zum Verfahrensgegenstand besteht nicht.
  Die Antragsgegnerin verfolgt einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 I, 1004 BGB aufgrund einer behaupteten ehrverletzenden Äußerung des Antragsgegners. Das Verfahren weist damit keine Besonderheiten auf, die eine Ent-scheidung durch das Familiengericht erfordern. Dass die Äußerung möglicherweise Auswirkungen auf die persönliche Beziehung der Antragstellerin zu ihrem Ehemann hat und der Fortbestand ihrer Ehe dadurch gefährdet worden ist, genügt als mittelbare Folge nicht, um eine Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 266 I Nr. 2 FamFG zu begründen.


Anmerkung: Das gesamte Verfahren und die offenbar dahinter stehenden Ziele erzeugen beim Verfasser dieser Zeilen – und hoffentlich auch beim ein oder anderen Leser – eine Mischung aus Erheiterung und Befremden. Ist ein deutsches Amtsgericht (unabhängig von der internen Abteilung) wirklich der richtige Ort, um den oberbayerischen Dorf-Casanova als Möchtegern-Casanova zu enttarnen? Ist es der richtige Ort, um die offenbar erschütterte Glaubwürdigkeit der Antragstellerin gegenüber dem eigenen Ehemann wiederherzustellen? Und dann noch durch drei Instanzen über die richtige Abteilung des Amtsgerichts zu streiten? – Wo ist dieses Deutschland, das einstige Land der Dichter und Denker, nur hingekommen?


Ergebnis

Da keine Zuständigkeit des Familiengerichts gegeben ist, ist das Verfahren gemäß § 17a III, VI GVG an die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts verwiesen.


Hinweis: Wenn die Zuständigkeit dagegen bejaht wird, ist zu beachten, dass nach § 17a III i.V.m. VI GVG ein bindender Vorabbeschluss möglich ist („kann“) und bei Vorliegen einer Rüge sogar zwingend ist.


Background

§ 266 FamFG war eine der wichtigsten Änderungen, die durch das Inkrafttreten des FamFG eintraten. Vorher waren diese Fälle keine Familiensachen und wurden von den normalen Zivilabteilungen entschieden. Dadurch gab es auch immer wieder Examensklausuren, in denen das wichtige „Nebengüterrecht“, also schuldrechtliche Streitigkeiten zwischen den (Ex)-Ehegatten oder mit den (Ex)-Schwiegereltern am Landgericht ausgetragen wurden.
  Da Neuland betreten wurde, dürften neben den zahlreichen eindeutigen Fällen auch noch einige existieren, deren Einordnung noch vor uns liegt.
  Entschieden wurde bereits die Gewerbemiete (Architekturbüro im Haus der Ehefrau) als Familiensache. Dazu der BGH:
  Bei der Prüfung, ob eine sonstige Familiensache i.d.S. § 266 I Nr. 3 FamFG vorliegt, ist das Tatbestandsmerkmal „im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung“ weit auszulegen. Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe müssen jedenfalls in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für die geltend gemachte Rechtsfolge ursächlich sein. Dass die Ansprüche ihren Grund unmittelbar in der Ehe haben oder aus diesem Rechtsverhältnis herrühren, ist nicht erforderlich. Streitigkeiten aus Mietverträgen, die die Eheleute untereinander geschlossen haben, können sonstige Familiensachen i.S.d. § 266 I Nr. 3 FamFG sein. Dies gilt auch für gewerbliche Mietverträge.